Deutsche CFOs bringen sich für Wachstum nach der Pandemie in Stellung
An March 15, 2021Sechs Monate nach der ersten Befragung hat die Standard Chartered Bank CFOs in Europa und den USA erneut nach ihren Plänen und Zielen befragt. Die Ergebnisse sind in der zweiten Standard Chartered Borderless Business-Studie zusammengefasst. Darin zeigt sich, dass CFOs wieder optimistischer in die Zukunft blicken und sich verstärkt auf Wachstum außerhalb ihrer Heimatmärkte konzentrieren. Die Vorbereitungen für die Zeit nach der Pandemie hat begonnen.
Wir haben mit Heinz Hilger, dem CEO der Standard Chartered Bank AG, über die Ergebnisse der Studie gesprochen.
Herr Hilger, die erste Befragung wurde im Frühsommer 2020 unter dem vollen Eindruck der Pandemiemaßnahmen durchgeführt. Die zweite sechs Monate später, im Dezember 2020. Was sind die maßgeblichen Unterschiede in den Ergebnissen?
Heinz Hilger: Die erste Befragung spiegelt die volle Wucht der wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sehr stark wider. Unsicherheit war wohl das eine große Wort, mit dem sich die Stimmung am besten zusammenfassen ließ. Im Dezember 2020 und auch heute sieht das schon wieder ganz anders aus. Die Finanzverantwortlichen in den Unternehmen legen heute den Schwerpunkt wieder auf Wachstum außerhalb ihrer Heimatmärkte.
Die Schockstarre ist gewichen und es macht sich wieder Dynamik breit. Das zeigt sich auch darin, dass Unternehmen ihren Fokus von der Sicherung der Lieferketten auf Investitionen in die Digitalisierung und die Freisetzung von Liquidität verlagert haben.
Es sind mehr als 1000 CFOs in USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich befragt worden. Wenn diese ihren Blick auf Wachstum außerhalb ihrer Heimatmärkte richten, wo schauen sie hin?
Heinz Hilger: Das hängt natürlich davon ab, wo ihre Unternehmen beheimatet sind, doch generell kann man sagen, dass Asien von vielen nach wie vor als sehr wichtige Wachstumsregion gesehen wird. Schauen wir auf die deutschen CFOs so wir von ihren CFOs der nordamerikanische Markt als noch wichtiger eingestuft (von 29% im Sommer 2020 auf 44% Ende 2020).
Gerade Asien ist nach wie vor eine wichtige Wachstumsregion, in der mehr als 85% der befragten Unternehmen aktiv sind. Deutsche Unternehmen gaben an, dass sie Asien mit höherer Wahrscheinlichkeit priorisieren als in der ersten Befragung (Anstieg von 50% auf 57%) und Japan mit 40% für die Expansionsmöglichkeit der Handels- und Lieferketten in der Region favorisieren – China folgt mit 36%, Australien mit 28%.
Weiterhin werden Afrika und der Mittlere Osten immer wichtiger: 36% der Unternehmen nannten den Mittleren Osten und 20% Afrika unter ihren Top drei, ein Anstieg von 4% in nur 6 Monaten.
Es ist also wieder Expansionsfantasie im Markt. Was hat sich in den Köpfen der CFOs noch verändert?
Heinz Hilger: Nun, wenn wir uns erinnern, sind durch Lockdowns, Grenzschließungen, Einschränkungen im Flugverkehr und andere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie viele Lieferketten unterbrochen worden. Da können wir uns vorstellen, dass im Sommer vergangenen Jahres die Sicherung der Lieferketten für viele Unternehmen oberste Priorität hatte. Wie kann man sich anders aufstellen, wie die Zulieferung näher an die Produktion bringen, wie kann man sie diversifizieren? Das sind die Fragen gewesen, die die Lenker in den Unternehmen umgetrieben haben. Natürlich vor allem im produzierenden Gewerbe.
Und diese Fragen sind gelöst worden?
Zum Teil ja, zum Teil haben sich einfach die Bedingungen wieder verbessert. Grenzen sind wieder offen, es gibt wieder mehr Flugverbindungen, Lösungen sind gefunden worden, Pläne sind gemacht worden und werden nun umgesetzt.
Und jetzt beschäftigen sich die CFOs mit anderen drängenden Herausforderungen?
Heinz Hilger: Genau. Andere Herausforderungen sind auf der Agenda weiter nach oben gerutscht. An oberster Stelle steht da nun das Thema Digitalisierung – übrigens auch mit Blick auf die Lieferketten.
Durch die vermehrte Nutzung von Home Office wurde die Notwendigkeit der Digitalisierung in Unternehmen einfach zu einem kritischen Faktor. Da ist es nicht überraschend, dass die verstärkte Nutzung digitaler Tools auch zur Steigerung der Lieferketteneffizienz für zwei Drittel (66%) der Unternehmen zu einem Schwerpunkt wurde.
Vor allem US-Firmen haben ihren Fokus auf die Digitalisierung der Lieferkette verstärkt: Für 31% der Unternehmen hat dieses Thema nun die höchste Priorität, während es Mitte 2020 noch zweitrangig gegenüber der Diversifizierung von Zulieferern war. Derselbe Trend ist bei deutschen und britischen Unternehmen zu beobachten: In Deutschland lag der Hauptfokus zu 33% auf der Digitalisierung der Lieferkette.
Inmitten der Krise haben Umwelt- und Governance-Themen ja nicht so hoch auf der Agenda der CFOs gestanden. Hat sich das jetzt wieder gewandelt?
Heinz Hilger: Ja, auf jeden Fall. In Zeiten akuter Krise liegt der Fokus zunächst auf der Bewältigung der unmittelbaren Gefahren und Herausforderungen. Und dann haben sich die massiven Einschränkungen in unserer Mobilität auch noch positiv auf die Umwelt ausgewirkt.
Doch jetzt, wo wir das Leben langsam wieder hochfahren und es Einigerorts schon wieder läuft, werden ESG-Themen wieder verstärkt in den Mittelpunkt rücken. Beispielsweise wurde besonders in Deutschland die Wichtigkeit von ESG bei der Expansion der Handels- und Lieferketten höher gewichtet als in anderen Ländern und stieg innerhalb von nur sechs Monaten als eine der Top-3 Prioritäten von 14% auf 29% in der zweiten Umfrage.
Über die Studie:
In dieser Studie wurden 1.008 CFOs und Senior Treasury Professionals von multinationalen Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 500 Mio. US-Dollar und einem Hauptsitz in einer der vier wichtigsten westlichen Volkswirtschaften USA, Großbritannien, Frankreich oder Deutschland befragt. Die Befragung fand im Dezember 2020 statt, die Heimatländer der Konzerne waren mit jeweils 25% zu gleichen Teilen vertreten. 50% der Befragten repräsentierten Unternehmen mit einem Umsatz von 500 Mio. US-Dollar bis 1 Mrd. US-Dollar, während die restlichen 50% Unternehmen einen Umsatz von mehr als 1 Mrd. US-Dollar erzielen. Von den Befragten repräsentierten 16% den Technologiesektor, die Repräsentation der restlichen Industriezweige schwankte zwischen 6% und 9%. Finanzdienstleister waren von der Umfrage ausgeschlossen.